Auszüge aus Sulamith von Frithjof Schuon
 
Der Garten
Du bist der Garten meiner letzten Freude,
Darin wohl über uns ein Vogel sang,
Und bist die Weise, die die Nacht durchdrang,
Rauschen des Windes oder Deiner Seide.

Du bist das Wunder, so ich jäh umschlang;
Schimmernde Schönheit, hell in dunklem Kleide,
Du duftetest mir tausend Nächte lang.

Du warst die Fülle und der Schmerz der Leere
Und alle Lust, die meiner Seele schied,
Daß sie sich selbst in ihrem Wahn verzehre.

Da ich Dich küßte, ward Dein Leib ein Lied
Wohl ohne Ende wie das Meer der Meere
Und wie der Sturm, der durch die Berge zieht.

 

Das Meer
Ich bin das weite Meer. Du bist der Sinn,
Denn Du bist Insel. Meine tiefsten Triebe
Sind gleich der Flut, die Deinen Strand beschriebe,
Wenn weiße Wogen selig landwärts ziehn.

Ich will Dir singen, daß Dich nichts betrübe
In Deinem Traum. Auf goldne Schönheit hin
Rinnt dann mein Glück. Ich weiß nicht, wer ich bin,
Noch wer Du bist. Ich weiß nur, daß ich liebe.

Und Du auch weißt es, daß mein Glück ersteht
Auf Dir, Du Eiland, wenn auf Deinen weiten
Wonnigen Ufern meine Freude geht.

Die hellen Wogen, die sich um Dich breiten,
Sind meine selgen Hände, die noch spät
An Dir sich füllen wie an Harfensaiten.

 

Du Ferngebliebne
Du Ferngebliebne bist die weiße Welle,
Die wiederkehrt, daß meine Öde blüht,
Und bist wohl silbern über mir zersprüht…

Du kamst wohl über mich und warst die Helle
Aus heitrer See, darob der Morgen früht.

Ich bin die Erde und der heiße Strand
Und Du die Wiederkunft aus weißem Meere,
Der Silberflut zerrinnendes Gewand.

So fließe, Flut, auf arme Erdenschwere!
Von Meereswundern träumt der bittre Sand;
Von weißer Welle, daß sie wiederkehre.

 

Die Pflugschar
Ich bin der aufgewühlte bittre Grund,
Darüber Du im Wahn hinweggeschritten,
Gleich einer Pflugschar, die mich tief zerschnitten,
Und lächelnd Eisen war Dein starrer Mund.

Du warst der Traum und bist mir jäh entglitten;
Kein nächtger Vogel tat mein Weh Dir kund,
Da ich wie herbe Erde todeswund
Von Liebe träumte unter Deinen Schritten.

Erkaltet sind die Sterne; und der Regen
Träuft durch die Nacht, die mich so kühl umschweigt
Als sollt ich mich zur letzten Ruhe legen.

Mir träumt vom Tode, der am Wege geigt
Auf Silbersaiten, die sich lispelnd regen,
Da welker Rosen Duft aus Gräbern steigt.

 

Der Vogel
Ich weiß von einem Vogel, der fliegt
Leise, gar leise.
Wie flüstert der Wind in den Bäumen!
Und mein Vogel fliegt nächtlings zu Dir, zu Dir,
Einsam auf weiter Reise,
Zu singen in Deinen Träumen,
Zu ruhn vor Deiner Tür.

Wenn Du atmest, Geliebte, in tiefem Schlaf,
Sollst Du mich dennoch hören.
Will Dir singen, bis der Morgen graut,
Will Deinen Schlummer nicht stören.
Doch vielleicht, vielleicht bist Du aufgewacht,
Schaust sinnend hinaus in die weite Nacht
Und hörst, was mein Vogel Dir singt von mir
Und hörst mein Lied von Dir.

 

Geigenlied
Dein Leib ist schönstes Elfenbein;
Dein Haar ist dunkelblonder Wein.
Alle Nächte und alle Tage
Klingen von Deinem süßen Sein;
Denn all mein Leben ist nur noch Dein,
Und Dein ist seine Klage.

Dein Leib ist schön und wonneschlank;
Dein Haar ist wie ein goldner Trank,
Den ich in Händen trage.
Da mein Mund auf Deine Strähnen sank,
Ward all mein Sinnen wund und krank
An einem trunknen Tage.

Dein Leib ist weiß wie Marbelstein,
Dein Haar wie sinkender Sonnenschein;
Alle Nächte und alle Tage
Klingen von Dir und meiner Not,
Doch bist Du mein, und wärst Du tot;
Und Dein ist meine Klage
Und Dein ist meine Klage.

 

Minnelied
Wenn sich der Tag neigt
Und es dunkelt schier,
Dann leuchtet mir
Die Freude meiner Minne;
Auf daß mein Herz
Sein schönstes Lied ersinne,
Ein Lied von Liebe
Und ein Lied von Dir.

So ströme meine Minne
Für und für,
Auf daß sie schwellend
Selges Meer gewinne,
In tausend Wellen
Jubelnd meerwärts rinne,
Durch tausend Fernen,
Liebste, bis zu Dir.

Zum tiefen Strom
Wird meiner Liebe Wort
Und singt von letzter Lust
Nach Stromesweise,
Und drängt gen letzte Fluten
Fort und fort.

Denn du bist mir
Im weiten Himmelskreise
Seligstes Meer,
Danach mein Herz mir dorrt,
Oh Leuchtende, Die ich in Strömen preise!
— — —

Wenn sich der Tod naht
Und es dunkelt schier,
Will ich mein Leben Ganz mir Dir erfüllen,
Mein letztes Dasein Noch in Andacht hüllen,
Ein Lied vom Tode
Und ein Lied von Dir.

 

Bekenntnis
Sie, der ich singe, ist der schönste Tag;
Ich, der ich singe, bin der tiefste Tod.
Blitzleuchten bin ich, und mein Wort ist Wein;
Die Welt liegt tief in meines Herzens Schlag.

Du, der du nach dem Sänger suchest, frag
Nach keinem Namen, noch nach Mein und Dein;
Liebe ist alles, was das Weltmeer hegt,
Und Tod in Liebe ist der Liebe Sein.
 
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